Körpererfahrung
Stille in Bewegung
Wir sind Körper. Immer. Und doch sind wir uns dessen im Alltag so selten bewusst. Im normalen Sprachgebrauch trennen wir sogar Körper und Geist – was für eine merkwürdige Vorstellung, wir könnten das eine ohne das andere sein.
Wie entscheidend unser Körper auch in der Zen-Übung ist, zeigt diese Geschichte:
Der Jesuitenpater P. Hugo Makibi Enomiya-Lassalle, einer der Wegbereiter des Zen in den Westen, hatte Zweifel an seiner Zen-Befähigung, weshalb er seinen Zen-Meister Zen-Meisters Harada Daiun fragte: „Bin ich nicht schon zu alt, um Erleuchtung zu erlangen?“ – woraufhin dieser antwortete: „Oh nein, du bist auf keinen Fall zu alt, du hast ja einen Körper.“
Wir können uns nicht anders erfahren als körperlich, weil wir Körper sind. Die allermeisten Körpertätigkeiten sind zum Glück automatisiert und in unseren motorischen Hirnarealen gut festgeschrieben – unser Körper weiß, wie er zu gehen hat, ohne dass wir umfallen, wir wissen, ob wir fähig sind, einen Kopfstand zu machen und Radfahren können wir auch. Das ist alles prima so – mit bewusster Körpererfahrung hat es nichts zu tun – eher damit, ohne weiteres Nachdenken in der Welt zu funktionieren.
Sobald wir aber beginnen, unseren Körper bewusst wahrzunehmen, ändert sich alles – wir spüren unserem Atem nach und sind erstaunt, wo er überall zu finden ist; beim Bogenschießen sind wir uns vom Beginn der Übung bis zum Loslassen des Pfeils und sogar darüber hinaus unserer Körperaktivität bewusst – im Yoga wie im Qi Gong bewegen wir uns bewusst in Verbindung mit unserem Atem.
In dieser achtsamen Körperwahrnehmung merken wir dann auch, wie schnell sich analysierende, kritische oder stolze Gedanken zwischen Körper und Tun schleichen – und kehren sanft zur Erfahrung des Moments zurück. Wir werden achtsamer, wacher, stiller, vor allem aber bewusster in dem, was wir tun.
Diese Bewusstheit hat eine wunderbare Nebenwirkung: sie lässt den oft so unaufhaltsam vor sich hinplappernden Gedankenstrom verstummen. Wir sind Atem, wir sind Körper, wir sind – ohne nachzudenken oder zu planen tun wir von Atemzug zu Atemzug nur das: atmen, das Knie beugen, den Bogen spannen. Diese Erfahrung der inneren Balance ist das Gegenteil von dem, was wir sonst tun – mit dem Kopf irgendwo sein und den Körper einfach machen lassen; im bewussten Sein mit Atem und Körper kommen wir inmitten des Welt- und Gedankenlärms zur Ruhe – wir erholen uns, erfreuen uns an dem, was wir tun. Nicht mehr und nicht weniger – und genau deshalb spielt Körpererfahrung in fast allen unseren Kursangeboten eine wesentliche Rolle.