Gestern abend habe ich sie mir nach einigem Zögern dann doch noch angetan: die von TVpresse Productions für den öffentlich-rechtlichen Sender Arte produzierte Dokumentation “Buddhismus: Missbrauch im Namen der Erleuchtung“, die hier von einem alten, geschätzten Dharmafreund ausführlich vorgestellt wird.
Die Dokumentation ist noch bis 11.11.2022 in der Arte-Mediathek abrufbar und durchaus sehenswert – auch für Menschen, die nicht in einer tibetischen Traditionslinie den Dharma praktizieren. ‘Guru – Yoga’, also die Fixierung auf einen ‘Meister’ bis hin zur Identifikation mit ihm und die Erwartung, von ihm zum Erwachen geführt zu werden, gab und gibt es auch immer wieder in Zen-Übungsgemeinschaften. Nichts könnte kontraproduktiver sein. Der Weg, den es zu gehen gilt, öffnet sich im eigenen Geist. Ein ‘Meister’ kann solch einen Weg weisen – aber niemanden auf ihm führen. Gehen muss man ihn schon selbst.
Ein Aufgeben der Bemühungen, sich selbst zu kontrollieren, kann ein guter Schritt auf diesem Weg sein – vorausgesetzt, eine solche Kontrolle des Handelns hat sich durch die Intuition, die mit Hilfe der Bodhisattvagelöbnisse übend entwickelt wird, erübrigt. Die Kontrolle des Handelns mit Geist, Sprache und Körper einfach an eine andere Person abzugeben, ist keine sinnvolle Alternative zu dieser Übung. Zumindest muss eine solche Bequemlichkeit mit einem immensen Vertrauensvorschuss bezahlt werden und man macht sich damit zum potentiellen Opfer von Scharlatanen.
Wobei die hier vorgestellte Dokumentation ein weiteres Thema hat als nur den Missbrauch – nämlich das Netzwerk des Verschweigens, Vertuschens und der Protektion, das ihn begleitet. Die Gründe dafür sind das unausgesprochene zweite Thema dieser Dokumentation: “Buddhismus: Big Business im Namen der Erleuchtung.”
Vor zwei Tagen reagierte dann auch der Rat der DBU auf die mediale Offensive mit einer Stellungnahme, die mir persönlich hinsichtlich der Kritik an der Rolle des Dalai Lama und von Matthieu Ricard etwas zu sehr nach Persilschein klingt. Übrigens – zum Frühstückscappucino habe ich mich heute u.a. etwas mit Bischof Franz-Josef Bode beschäftigt. Warum?
“Auf einer Pressekonferenz hat Franz-Josef Bode am Donnerstag Stellung bezogen und persönliche Verantwortung eingeräumt. Der Zwischenbericht der Studie von der Universität Osnabrück zeige “erhebliche Defizite und schwerwiegende Fehler” auf, “die zum großen Teil in meiner Amtszeit gemacht worden sind. Dafür trage ich die Verantwortung. Ich selbst habe in einigen Fällen fahrlässig gehandelt“, sagte der katholische Geistliche. “Es geschah niemals in der Absicht, vorsätzlich zu vertuschen und das Recht zu beugen. Ich bitte alle, denen aufgrund meiner Fehler und Versäumnisse noch größeres Leid geschehen ist, als sie bereits zuvor erlebt haben, um Vergebung.” (Quelle)
Na bitte, so geht’s doch auch … Zurücktreten will der 71-jährige Bischof (dienstältester Deutschlands) freilich nicht – aber immerhin … In Sachen PR kann Dharamsala jedenfalls noch einiges lernen. Etwas bekömmlicher jedenfalls war dann für mich die anschließende Lektüre von Shōbōgenzō Shinfukatoku, das “unfassbare Herz”.
Die Stimme des wahren Menschen –
ein Orakel des Unfassbaren
und doch nur flüchtiges Zirpen
einer Zikade im Klingen
des Sutra der Berge und Täler
Dem Klang dieses Sutra zu lauschen,
öffnet das unfassbare Herz
und lässt es in großem Mitgefühl
in ihn einstimmen.