Tatsächlich gibt es Krieg. Tatsächlich sind wir verzweifelt, voller Trauer, Wut, voller Ohnmacht und Ratlosigkeit. Tatsächlich sind wir von außen fast gezwungen, wach zu werden und die Welt zu sehen, wie sie ist: chaotisch, kriegerisch, voller Leid und vor allem voller Gier, Hass und Unwissenheit. Tatsächlich wissen wir das als Zen-Übende natürlich sowieso – und doch gibt es Momente, in denen aus Wissen Erfahrung wird und wir, wie jetzt, beinahe zwangsläufig wach werden müssen-dürfen-wollen. Und während die Welt sich auf verlässliche europäische Verbundenheit besinnt, was selbstverständlich wunderbar ist, dämmert uns, bei allem aktuellen Schrecken, dass Leben immer schon chaotisch, kriegerisch und voller Leid gewesen ist – in uns und um uns herum, es gibt derzeit, und nicht erst seit letzter Woche, 25 Kriege und sog. Bewaffnete Konflikte weltweit, von Hunger, Gewalt, Rassismus und Klimakatastrophen mal ganz abgesehen.
Neben diesen Kriegen im scheinbar Äußeren, toben ja auch in unseren Inneren eine Vielzahl von Konflikten, manchmal Kriege, leiden wir immer wieder bitterlich mit und an unseren Emotionen und Bedürfnissen – mal bewusst und mal (wie) blind.
Wir können uns dann fragen – und das taten wir: Was tun wir eigentlich, wenn wir, den Blick scheinbar weltabgewandt, auf unserem Kissen vor der Wand sitzen und Tag für Tag und Atemzug für Atemzug versuchen, uns selbst zu vergessen…? Ist das noch zeitgemäß? Nützt das der Welt, dem Frieden oder irgendwem? Sollten wir nicht besser an den Grenzen Brot verteilen, Kinder trösten, täglich demonstrieren und die Zazen-Zeit tauschen gegen Praktisches? Nein, das glauben wir nicht – weil wir, neben allen inneren Kriegen, die wir führen müssen, die Erfahrung machen, dass Sitzen uns Frieden gibt, uns atmen, einfach da sein lässt, das Innere befriedet, denn wenn wir wirklich bereit sind, uns Selbst anzuschauen, können wir unsere eigenen Herzenstrübungen beseitigen, bewusstere Wesen werden; im Idealfall ziehen wir dann keine Grenzen mehr, sind ohne Feind und sogar ohne Vorwurf, ja, sind Atemzüge ohne Leid. Für den Moment – und der ist wirksam, verändert sich die Welt; nicht jedes Mal, natürlich. Die Welt bleibt kriegerisch – und ist, zeitgleich und immer schon, auch freundlich, liebevoll, unfassbar schön, so heiter, großzügig und wunderbar – es wird geboren, geheiratet, geliebt, gebaut, geträumt, gebetet und … Zazen geübt. Überall. Immer. Jetzt.
Vielleicht gehen wir danach dann Brot verteilen oder demonstrieren – vielleicht bleibt es auch nur beim Sitzen vor der Wand und dabei, das Herz beharrlich zu polieren – es macht ja keinen Unterschied.
Lasst nur das Denken zu Ruhe kommen,
und sucht nicht mehr im Außen.
Was sich euch darbietet,
dem wendet eure Aufmerksamkeit zu.
Vertraut dem, was gerade wirkt in euch,
und es wird nichts mehr geben,
worum ihr euch zu sorgen hättet.
Linji